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schmetterling und taucherglocke - Druckversion

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schmetterling und taucherglocke - ursel - 26.03.2008

hallo,

manche werden das buch kennen, jetzt verfilmt: "schmetterling und taucherglocke"

der film soll gut sein, ich füge mal eine kritik hinzu. (nicht am wort "hautsack" im eingangsstatement allzusehr stören, mir gefällt der ausdruck nicht, unglücklich formuliert, sicherlich keine böse absicht!)


Wimper um Wimper / Von Birgit Glombitza

Vom Lebemann zum reglosen Hautsack: Julian Schnabels Verfilmung des autobiografischen Bestsellers "Schmetterling und Taucherglocke" zeichnet anrührend die Krankengeschichte des ehemaligen Chefredakteurs der französischen "Elle" nach - und entwickelt eine ganz eigene Schule des Sehens.

Weiße Kittel, sprechende Köpfe, ein Monitor, ein paar Kabel im Anschnitt, ein Stück WC-Stein-farbene Zimmerdecke, hin und wieder das Dekolleté von Ergotherapeutinnen und Logopädinnen, die das Gaumensegel prüfen oder das Kopfkissen zurechtrücken. Und wenn niemand mehr da ist, ein flatternder Vorhang, in dem sich bei schönem Wetter das Sonnenlicht verfängt. Dahinter irgendwo das Meer.

So ein Mensch, das ist nicht viel, wenn das Schicksal einmal seinen Hammer herabfahren lässt. Drei Viertel des Gehirns, Herzschlag, Gehör, ein Auge - viel mehr ist Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) nach seinem Hirnschlag und zwei Monaten Koma nicht geblieben. Der 42-Jährige kann seinen Körper nicht mehr spüren, nur das linke Augenlid kontrolliert er noch. Das Schlucken und Verdauen haben die Apparate der Intensivmedizin übernommen.

Und an der Stelle, wo Jean-Dominique früher seine Hermès-Halstücher trug, ragt nun eine Kanüle aus weißem Kunststoff aus der Luftröhre um die Atmung zu erleichtern. Jean-Dominique Bauby, der erfolgreiche Chefredakteur der französischen Zeitschrift "Elle", das von Models und Glamour umflirrte Mediengeschöpf, der untreue Ehemann und unzuverlässige Familienvater lernt die Verzweifelung. Er ist eingesperrt in einem regungslosen Hautsack - Locked-In-Syndrom nennt das die Medizin - und will sterben.

An dem Morgen, an dem man ihm ein Augenlid wegen einer Entzündung zunähen muss, und wir wie von "Innen" zusehen können, wie sich Wimper um Wimper über der Augenhöhle schließt, ist es, als ob sich ein vorletzter Vorhang senkt. Das ist so dramatisch, anrührend und ergreifend, dass man sich am Stuhl festhalten möchte. (...)

Jean-Do, wie ihn alle in der Klinik bald liebevoll nennen, entdeckt die Phantasie, die Erinnerung, den kleinen Rausch eines Tagtraumes. Mit Jean-Do lernen die Bilder fliegen. Von einer Austernorgie mit seiner schönen Lektorin (Anne Consigny), zu einem Strandurlaub mit seiner Familie oder einer fast vergessenen Reise nach Lourdes. Sein Blick schwirrt wie ein Schmetterling vom Faltenwurf eines Sommerkleides seiner schönen Frau (Emmanuelle Seigner) in die langen Haare seiner Geliebten (Marina Hands). Er hockt ihr im Nacken, ruht sich am Ohr aus, an der Schläfe, während die Sonne kleine leuchtende Streifen über ihr Gesicht schickt.

Einmal blinzeln für "Ja", zweimal für "nein". So kommuniziert Jean-Do mit dem Klinikpersonal. Der Gelähmte lernt ein spezielles Alphabet, das seine Logopädin ihm immer wieder und für jeden Buchstaben aufs Neue aufsagt, mit seinem Wimpernschlag zu benutzen. E-S-A-R-I-N-T- U.... Es wird Jean-Dos Mantra. Mit ihm addiert sich mühsam Buchstabe zu Buchstabe, Wort zu Wort. Bis ein Gespräch oder gar ein ganzes Buch draus wird.

Die minimale Tiefenschärfe, die schlierigen Oberflächen -die Kamera soll Schnabels Brille im buchstäblichen Sinne vor der Linse getragen haben- die mühsamen Fokussierungen der Gesichter, die sich in extremer Nähe in Jean-Dos Gesichtsfeld schieben, die Lichtabfälle und Überstrahlungen an den Bildrändern, das "Ja"- Zwinkern und das "Nein"- Doppelblinzeln machen das Aufwachen, das Bewusstwerden des Erzähler- Ichs auch zur Sache des Publikums und des Kinos selbst. (...)

http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,543449,00.html

hört sich interessant an, ich werde - mit meinem sohn - reingehen und ihn mir ansehen.

grüße, ursel