ein Wachkomapat mehr in Dtld. - mein Papa und das Wachkoma
#9
Hallo Forum,

seit dem letzten Stand der Dinge hat sich wieder etwas getan. Schön, dass jetzt noch ein paar mehr antworten. Nach dem Akutkrankenhaus (wie es so schön heißt) war das nächste Ziel ja die Frühreha. Diese hatte sich um eine Woche verschoben, da er sich MSRA eingefangen hatte.

Jedenfalls ist er jetzt (seit einigen Wochen) in besagter Frühreha und nicht mehr im Wachkoma. Man weiß nicht genau, ob er da erwacht ist oder es schon im Krankenhaus war. Soviel zum Thema, zu 99,9% wacht er nicht mehr auf. Sie waren sich im Krankenhaus so sicher und damals ging es um die wichtige Entscheidung Luftröhrenschnitt ja oder nein. Wenn man da den Ärzten vertraut hätte und was dann noch an (wenn auch minimalen Sachen) dazu gekommen ist!

Ich hatte mich gefreut, weil man denkt ein riesen Schritt wäre gemacht wenn Leute aus dem Wachkoma kommen, aber der Reha-Arzt hat ganz merkwürdig und provokant reagiert, "er ist wach, ansprechbar, na und?" Für "uns" ist das was er so lapidar abtut ein Schritt, denn wie man auch hier und anderswo liest, ist das doch einer der Knackpunkte - das Aufwachen. Egal.

Man sollte meinen, dass jetzt das Glück anfangen würde und es jetzt nach vorne geht. Dem ist leider nicht so. Es werfen ihn immer wieder Fieber und Keiminfektionen zurück. Angeblich sei es so, dass seit der Reha keine weiteren Fortschritte von ihm kommen. Es momentan ein Stopp gibt. Er kann alles bewegen, nur selten auf Kommando. Es ist nicht so, dass er nie was tut. Er reagiert auf Ansprache, guckt zur Tür, guckt gerne TV und wenn man sagt, Guck mal zum Fernsehen da ist dein Lieblingskoch, dann guckt er dahin. Er übt, er versucht mitzumachen. Gestern vormittag hat er auf Kommando auch ein klein bisschen die Zunge rausgestreckt. Als er sich mit dem ganzen Körper aufrichten wollte und ich es dem Arzt gesagt habe, wollte der nicht kommen und sich das ansehen. Man weiß nicht, ob er nicht kann oder nicht will wenn Therapeuten oder Ärzte Kommandos geben und er nicht mitmacht. Manche Leute würden sich aufgeben, wenn sie wacher und sich ihres "neuen" Zustandes bewusst würden. Natürlich denke ich schockt ihn seine neue Lage, aber ich denke nicht das er aufgeben würde.

Kann sein, dass die KK nicht weiter verlängert. Was habe ich euch gesagt, bald geht das Verlängerungsbetteln los. Ich dachte echt, man hätte mehr Geduld. Ich bin mir sicher, dass er mehr kann und noch nicht am Ende ist. (So wie ich auch sicher war, das er aufwacht weil sich nach dem Luftröhrenschnitt erste Remissionszeichen eingestellt haben und es eigentlich weiter ging)
So ein Mist, warum ist ausgerechnet jetzt ein stopp? Was kann ich nur tun, dass er mitmacht das es in der Reha weitergeht?
Ich rede nach wie vor viel mit ihm, meiner Mama fällt es auch 10x leichter als im KH, wir tupfen die Stirn ab, kämmen, berühren.
Er lächelt bei Witzen. Man sieht noch besser, wie es im emotional geht. Genervt und hilflos beim wochenlangen husten und froh wenn wir kommen, uns kümmern und aufmuntern. Manchmal ist er auch trauriger, aber das ist normal.

Sie wollen ihm die Trachealkanüle nicht entfernen, im Krankenhaus meinte man, er könnte schlucken. Die sind sich da aber jetzt nicht so sicher, wollen den Test wiederholen.

Ich wollte die Reha ja unbedingt, aber es sind viele Behandlungen ausgefallen. Gestern auch wieder eine. Wir sind ja nicht doof, kriegen das auch mit. Erst waren wir 3x die Woche da, mittlerweile sind es 4x mal die Woche. Ich würde jeden Tag, wenn ich könnte. Schon alleine um zu sehen, ob er die Behandlungen kriegt. Wir wollen uns jetzt auch mit den Therapeuten unterhalten und der Krankenkasse. Ja, meinte man, wenn es später nach der Reha dann wieder Fortschritte kämen, könnte man ja wieder eine Reha beantragen. Als ob man die kriegt. Immer dieses Kämpfen, immer dieses Betteln.

Ich bin hin und hergerissen, emotional bin ich zurzeit genauso instabil wie mein Vater. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen soll wegen dem Erwachen und die Fortschritte die er jetzt erreicht hat (das er uns kennt, weiß wer er ist, er sehen, fühlen und hören kann, vermutlich alles versteht, nur manche Dinge nicht oder noch nicht umsetzen kann) oder todtraurig weil es derzeit nicht weitergeht, die Reha vielleicht bald um ist? Das reden fehlt mir so, klar das mit der Blinzelkommunikation kommt einem schon wie ein riesen Fortschritt vor.

Man hat ein CT gemacht, weigert sich aber andere bildgebende Verfahren zu machen. Es gibt doch Untersuchungen, wo man genau sieht welche Bereiche betroffen sind. Ich verstehe nicht, warum man das nicht macht. Irgendwie wüsste man doch auch wieder etwas mehr. Zwar gibt es keine Garantien, auch dann kann sich noch was tun. Hat man mit euren Leuten mehr gemacht, sie genauer unter die Lupe genommen? MRTs oder sonstwas gemacht.

Ich bin mir nicht 100% sicher, ob man alles tut, ihn maximal fördert. Wie im Krankenhaus, med macht man alles aber darüber hinaus? Ich beobachte ihn genau und weiß das da mehr ist, er ist wach und jetzt soll die Reha um sein? Habt ihr Tipps? Sein Arzt ist sehr nett, ist erreichbar, hört sich immer alles an, aber ist für jegliche Anregungen auch nicht wirklich empfänglich.

Nicht einmal konnten wir mit ihm vor die Tür und das wiegt um so schwerer, weil an schönen Tagen (so gut wie) alle raus dürfen. Klar, wir wollen ihn auch nicht gefährden. Es ist nur so, gerade weil er jetzt so viel mitbekommt, sich umsehen kann, hört und versteht einmal nach draussen zu kommen ihn motivieren würde.

Zu Dieter: Es ist wie es ist und er war und ist schwer Herzkrank. Ich denke das ist der Grund, warum es passiert ist. Er sollte auch bald einen Defi kriegen, dann wäre das vllt auch anders ausgegangen aber leider kam ihm das jetzt zuvor.
Er ist der Oberguru der Familie, auch seine Nachbarn, Kollegen, Kunden mögen und schätzen ihn sehr, fragen immerzu nach ihm. Er hat dieses Mal so viele menschliche Glücksbringer wie nie. Einer der Nachbarn ist zurzeit selber im KH um sein Leben kämpfen und in einem wachen Moment hat er nach meinem Vater gefragt. Ich denke das sagt alles.
Zurzeit zeige ich ihm Fotos, wo wir alle drauf sind und die erst vor kurzem entstanden sind.

Ich habe auch immer ans aufwachen gedacht, wenn er bloß aufwachen würde. Ihn immer nahzu beschwört, wach auf. Und nun, da er so weit ist ist es auch komisch. Man hat was man sich so sehnlich gewünscht habe aber noch weit weg vom Ziel.
Man liest immer, dass wenn die Leute aufwachen, sie (meist schwer) oder zumindest in irgendeine Weise behindert sind.
Das habe ich jetzt leider auch erfahren müssen. was mir Mut macht ist, dass wenig aufwachen und alles ist wieder da. Leute, die vollständig erholt sind brauchten auch Monate zum Altes neu zu lernen. Aber nur wer beständig Fortschritte macht, darf in der Reha bleiben. Irgendwie haben wir ein Ziel erreicht und das ist genial, so habe ich es gewollt aber es ist noch viel zu tun. Wenn nicht in einer Reha, wo dann?

Ihr wünscht euch das aufwachen wie ich & meine Familie, aber glaubt mir das ist auch nicht einfach. Dann kommen neue Probleme, Sorgen. Die Ungeduld, die Unwissenheit, das Bangen, Hoffen und Wünschen machen mich fertig. Man will was tun, aber weiß nicht was. Und jetzt muss ich wieder in den Krieg ziehen und kämpfen, dass er da noch ein bisschen Zeit bekommt.
Käpfen, betteln, argumentieren, diskutieren... mache ich eigentlich noch was anderes?

Ich versuche immer den Blickwinkel meines Vaters zu sehen, was wenn man alles oder vieles versteht, mehr und mehr versteht was (momentan) alles nicht mehr geht und man obwohl es so viele Fortschritte (von Krankenhaus bis Reha) gibt, man ihn jetzt aufgibt und abschiebt? Man sieht andere Patienten, es wird gesagt man soll nicht nach links und rechts schauen und tut es doch. Was können die, was machen die nicht. Wenn ich eins seit der Reha gelernt habe dann, es ist wirklich jeder anders.

Für alle die betroffene Kinder haben, habt ihr von dem Family Hope Center in Amerika gehört? Ich weiß nicht, ich finde deren Ansatz und deren Erfolge beachtenswert. Leider sind die allein auf Kinder fokussiert. Gibt es sowas Ähnliches auch für Erwachsene und idealerweise in Europa *wünsch?

Schön. dass es das Forum gibt. Ach ja, ich denke daran evtl. ein Homepage oder einen blog zu machen.

Ich versuche mich aufzubauen. Zum Bsp. denke ich daran wie er im KH ewig lange die Beine oder Füße nicht bewegt hat. Ich habe mich immer gefragt, was ist mit dem Unterkörper? Ist er gelähmt? Alles was kam, betraf den Oberkörper. Irgendwann bewegt sich ein Zeh, gegen Ende der KH Zeit konnte er die Knie anheben, jetzt mit den Füßen sich abdrücken.
Oder das gucken, erst war es gezielter ein Auge, dann beide. Erst guckte er uns direkt aber immer nur kurzan, jetzt solange man redet und darüber hinaus. Wir wussten das er hört, bevor es die Ärzte merkten. Die dachten man müsste laut Klatschen oder sonstwas veranstalten, dabei hat er bei geringeren Geräuschen schon reagiert. Aber genau das ist das Ding, das KH war Minuten von uns weg, da konnten wir täglich stundenlang beobachten. Mit der reha geht das nicht, ihn jetzt 4 mal die Woche zu besuchen ist ein riesen Stress und Aufwand für uns. Einmal haben wir in dem Ort übernachtet. Er kommt uns und auch dem Art immer wacher vor, trotz schwächender Keime. Er kann auch immer länger von Sauerstoff befreit werden. Was erwarten die an Fortschritte, soll er um das Bett tanzen? Warum sehen die nicht, dass er versucht sich aufzurichten? Erst immer Papa bitten aufzuwachen, jetzt bitte mach mit, was irgendwas Neues das du noch da bleiben kannst...

Alles Gute für eure Lieben.
LG, Melly
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