Aufgewacht nach 6 Monaten Wachkoma - Teil 1
#1
Unser Sohn (damals 19, zweites Lehrjahr zum Drucker) erlitt
vor ca. 1,5 Jahren (Mai 2011) bei einem Autounfall neben vielen inneren
Verletzungen und Frakturen ein schweres Schädel-Hirn-Trauma (Stufe III) mit
vielen Blutungen.
Nach stundenlangen Not-OP’s an Nieren, Lunge, Zwerchfell,
einer bds. Beckenfraktur und einem Rippenserienbruch kam er auf die
Intensivstation wo sein Hirndruck massiv weiter anstieg und man innerhalb 24h
nach dem Unfall bei einer weiteren OP beide Schädeldecken entfernen musste um
der Schwellung des Gehirns Raum zu verschaffen und weitere Blutungen und
Quetschungen zu verhindern.
Er befand sich Tagelang in akuter Lebensgefahr, da seine
Herzfrequenz trotz künstlichen Koma immer wieder sehr schwankte und er sehr
hohes Fieber bekam.
Diese Tage und was wir während Dessen fühlten, dachten und
erlebten, ist nicht in Worte zu fassen, denn es gibt für das unaussprechliche
einfach keine Worte.
Als sein Zustand sich ein wenig stabilisierte bekam unser
Sohn eine Trachealkanüle, einen Blasenkatheter und eine Magensonde operiert. Er
hatte eine Hirndrucksonde, ein Gerät was die sehr hohe Körperkerntemperatur
mittels Infusion von kaltem Wasser senkte um einen Fieberschock zu vermeiden.
Des weiteren bekam er etliche Medikamente über den Perfusorautomaten. Es war
ein erschreckendes Bild, all diese Schläuche und Kabel und mittendrin unser
Sohn den wir kaum wieder erkannten, da alles wahnsinnig geschwollen war.
Nach ca. 3 Wochen versuchte man das erste mal ihn aus dem
künstlichen Koma aufwachen zu lassen, doch er zeigte wenig Reaktionen und der
Hirndruck stieg ebenfalls sofort wieder an. Nach 3 Versuchen fiel er ins
Wachkoma. Seine Augen öffnete er immer öfter und länger, aber er fixierte
nichts an und seine Reaktionen blieben auch fast völlig aus. Die Ärzte waren
sehr vorsichtig mit der Prognose, aber sie machten uns kaum Hoffnung, das er je
wieder aufwachen würde. Die Verletzungen seines Gehirns waren einfach zu schwer
und er litt für längere Zeit unter massiven Sauerstoffmangel. Es war
niederschmetternd und doch verloren wir unsere Hoffnung nicht und verdrängten
regelrecht die Worte der Ärzte.
Innerhalb kürzester Zeit (2 Wochen) entwickelten sich
Streckspasmen an Armen und Beinen bis hin zu Spitzfüssen denen man zunächst
nicht entgegen wirken konnte. Seine Muskeln verschwanden von Tag zu Tag mehr
und wir standen dem allem so unendlich Hilflos gegenüber.

Nach 20 Tagen Intensivstation wurde er ohne Schädeldecken in
eine Frühreha verlegt. Dort begann man sofort mit mobilitation in den Rollstuhl
und oder auf dem Stehbrett. Mehrmals entgleiste dabei seine Herzfrequenz in
ungeahnte Höhen und fiel im nächsten Moment ins Bodenlose (Spitzenwerte HF 180
– HF 38 ). Trotzdem lies man sich davon nicht beirren, aber mein Gefühl sagte
mir, das kann nicht gut für ihn sein und das er sicherlich wahnsinnige
Schmerzen dabei hätte. Ich bat beim Arzt um Schmerzmittel für ihn und weniger
strapaziöse Therapien bis sich sein Zustand wenigstens einigermaßen gefestigt
hätte. Wir stießen auf taube Ohren und ich hatte weiterhin unaussprechliche
Ängste das er das nicht überleben würde.
Tgl. hatte er noch immer hohes Fieber und schwitzte so sehr,
das man ihm bis zu 5l Wasser am Tag über die Sonde geben musste. Nebenher wurde
ihm auch noch die Sondennahrung gegeben, sodass sein Magen manchmal so voll
war, das er sich übergeben musste. Oft bestand die Gefahr, das er aspirieren
würde. Trotz allem veränderte man auch auf unser Bitten die
Verabreichungsgeschwindigkeit nicht.
Das Pflegepersonal wollte ja nach 18Uhr schließlich seine
Ruhe vor den Patienten haben. Es reichte ja, das man ihn mehrmals am Tag das
Bettzeug und die Sachen wechseln musste, da er so sehr schwitze. Mal ganz
abgesehen das er ja Inkontinent war und das auch pflegerischen Aufwand
bedeutete.
Unser Sohn wurde von Tag zu Tag dünner und sein Zustand
verschlechterte sich schnell. Hinzu kam dann noch, das er epileptische Anfälle
bekam und man ihn dann mit Antiepileptika völlig zudröhnte, so das die wenigen
Reaktion die wir ihn bis dahin manchmal noch entlocken konnten (kurzer
Augenkontakt) völlig ausblieb.
Nach 2 Wochen beobachteten wir, das sein Hirndruck wieder
angestiegen war, denn sein Kopf war wieder geschwollen und wir mussten
regelrecht darum Kämpfen, das ein Arzt uns das bestätigte und auf unser Drängen
eine Rückverlegung auf die Intensivstation veranlasste.
Sein Hirndruck sank mit etwas Ruhe besserer Rundumversorgung relativ schnell
wieder auf fast normal und man wollte die Verlegung aus der Reha noch dafür nutzen,
die Schädeldecken wieder zu reimplantieren.
Wieder eine stundenlange OP, aber es verlief fast ohne
Komplikationen und er war nach 2 Tagen wieder stabil.
Nach 10 Tagen kam er dann auch wieder zur Frühreha zurück.
Inzwischen zeigte er wieder kleine Reaktionen die Hoffnung verheißen lies. Wir
hatten inzwischen das Vertrauen in diese Klinik verloren und beobachteten alles
sehr genau und kritisch. Wir waren sicher nicht sehr beliebt, aber man zeigte
wenigstens ein wenig Respekt inzwischen und erledigte Aufgaben wie
Körperhygiene ohne murren und Augen verdrehen.
Das einzige was wir positiv beobachten konnten war, das man
seine Spitzfüsse durch Gipsschienen (dank der engagierten Physiotherapeutin)
wieder in eine natürliche Form brachte und das seine Sauerstoffsättigung stets
sehr gut war und er auch immer wieder gut abhusten konnte. Die Logopädin war
mit uns dann einer Meinung als wir sie fragten, ob man die Trachealkanüle evtl.
entfernen könnte und man damit wenigstens mit Schlucktraining beginnen könne.
Einige Tage später wurde die Kanüle entfernt und unserem Sohn ging es darauf
auch gleich besser und wir schafften es ihm immer mal ein Löffel Pudding, oder
Quarkspeise zu geben.
Trotzdem nahm er weiter ab und so wog er nach 5 Wochen nur
noch 58kg bei 1,80m Körpergröße. Auch fing er sich multiresistente Keime ein
die heftige Durchfälle verursachten und man stopfte ihn mit allerlei
Antibiotika voll. Wir sprachen mit dem Arzt, das man ihm vielleicht mehr
Sondennahrung geben sollte, da er ja kaum noch etwas zum Zusetzen hätte und wir
langsam angst bekamen, er würde verhungern. Er konnte ja gar nicht mehr
Reagieren so wenig Kraft hatte er. Irgendwann endlich, nach mehrmaligen Bitten
kam man unserem Wunsch endlich nach. Er bekam einen Beutel
Hochkaloriensondennahrung zusätzlich.
Sein Allgemeinzustand war trotz allem nach 6 Wochen Reha so
schlecht, das wir die Reha abbrechen wollten. Der Arzt teilte uns mit, das er
es auch für Sinnvoll erachtete die Reha abzubrechen und ihn in ein
Wachkomazentrum zu verlegen. „Da wäre eh nichts mehr zu erwarten bei ihrem Sohn“
so seine Worte. Das war wie ein Schlag ins Gesicht und fast unerträglich für
uns als Eltern.
Wir konnten und wollten uns damit nicht abfinden und
sträubten uns ihn einer Pflegestation Phase F zu überlassen welche man gut und
gerne auch als Endstation bezeichnen könnte.
Wir suchten ihm einen Platz in einer
Intensivpflege-Wohngemeinschaft mit 24h Betreuung.
Am letzten Tag in der Reha zeigte man uns noch einmal sehr
deutlich was man inzwischen von uns hielt, indem unseren Sohn bis zur Abholung
mit dem Krankentransport in eine Abstellkammer mit allerlei Gerät und Kartons
abstellte. Man brauchte sein Bett für einen neuen Patienten, so die Antwort auf
unsere ungläubigen Blicke.
Die Pfannkuchen und den Kaffee den wir mitbrachten nahm man
dann trotzdem dankend und fast selbstverständlich an.
Leider fehlte uns jegliche Kraft um uns gegen diese Klinik
zur Wehr zu setzen, aber wir werden es niemals vergessen.
Sehr hilfsbereit, interessiert, engagiert und fast familiär
wurden wir dann zum Glück in der Intensivpflege-WG empfangen. Er hatte sein
eigenes Zimmer, welches wir individuell für ihn gestalten konnten.
Neben amb. Ärzten und festen Bezugspflegern hatte er gute
Therapeuten die ein/zweimal die Woche kamen und uns auch nützliche Tipps gaben
wie wir ihn weiter stimulieren, fordern und fördern konnten.
Innerhalb weniger Tage kam seine Gesichtsfarbe wieder, die
Augenringe wurden blasser, sein Gewicht stieg wieder an und er zeigte langsam auch
wieder kleine Reaktionen. Wir konnten beobachten das seine Herzfrequenz sehr
ruhig war wenn wir mit ihm redeten. Man konnte sehen wann er entspannt war,
wann er aufgeregt war, oder wann ihm etwas nicht gefiel, weil er vielleicht
blöd lag. Manchmal bei der körperlichen Stimulation, oder Pflege kam auch mal
ein Laut von ihm und nach einigen Wochen hob er auf Ansprache auch schon mal
den Finger, oder er schloss die Augen wenn wir ihn darum baten.
Auf dem letzten CT (in der Frühreha) war zu sehen, das sein
Hirnwasser nicht gut abfließen konnte und wir kümmerten uns um eine weitere OP
wobei ihm ein Shunt gelegt werden sollte. Im Oktober war dann endlich der OP-Termin
ran und wir bangten noch einmal das alles gut gehen würde. Nach 10 Tagen in der
Neurochirurgie kam er mit Shunt zurück in seine WG.
Eine Woche später konnten wir es kaum fassen, als er mit
angewinkelten Bein im Bett lag und mit dem Knie hin und her schaukelte.

Weiter Teil 2
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Aufgewacht nach 6 Monaten Wachkoma - Teil 1 - von Daniela - 11.09.2012, 18:01
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