Sorgen mit Trachealkanüle
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Hallo Kalessin,

ich bin Krankenpfleger und seit 18 Jahren Leiter einer Fachpflegeeinrichtung für Wachkomapatienten. Ich möchte dir gerne von unseren Erfahrungen berichten.

Zunächst Grundsätzliches: ein Tracheostoma wird in der Regel dann angelegt, wenn auf der Intensivstation eine längerfristige Beatmung notwendig ist. Ist die Beatmung beendet, muss geprüft werden, ob ausreichend Schluckreflexe und Hustenreflexe vorhanden sind. Wenn diese nicht da sind, benötigt man aus (rechtlichen) Absicherungsgründen die geblockte Trachealkanüle, um eine evtl. gefährliche Aspiration zu vermeiden. Sind die Reflexe ausreichend da, gibt es eigentlich keine medizinische Indikation mehr für eine Kanüle. Leider denken die Schulmediziner nach unserer Erfahrung oft nicht so. Es ist eben (vermeintlich) einfacher und vorallem rechtssicherer, wenn man es so beläßt mit TK, denn dann kannst du die Ärzte auch nicht verklagen, wenn deine Frau mal aspiriert und deshalb eine Lungenentzündung bekommt...

Du schilderst noch den Befund der "instabilen Luftröhrenwand". Dazu kann ich nichts sagen, außer dass man auch hier vermuten könnte, dass dies eher der Absicherung wegen gesagt wurde, da man ja nicht weiß, wie die Luftröhre reagiert, wenn die TK draussen bleibt. Man weiß es eben erst, wenn man es ausprobiert und dann kann es halt zu Komplikationen kommen.

Nochwas zur Verschleimung: nach unserer Erfahrung hilft die die intensive Anwendung eines Ultraschallverneblers, verteilt über mehrere Stunden am Tag. Der feuchtet die Atemluft an und dadurch verflüssigt sich der Schleim und kann besser abgehustet oder abgesaugt werden. Bei Anwendung von Medikamenten (z.B. ACC) erlebt man eher den Effekt, dass noch viel mehr Schleim produziert wird.

Und noch was: die Kanüle ist eine der Hauptursachen für die Verschleimung. Die Schleimhaut der Luftröhre reagiert auf Fremdkörper mit einer deutlich vermehrten Schleimproduktion, um den Fremdkörper herauszuspülen. Sie produziert also dauernd Schleim, um diese TK loszuwerden. Durch die TK können auch vermehrt Staubpartikel in die Luftröhre und die Bronchien geraten, die dann ebenso als Fremdkörper mit viel Schleim herausgespült werden müssen. Die TK bleibt daher oft auch nur deshalb drin, weil der Patient stark verschleimt ist.Verschleimt ist er aber nur, weil er eine TK hat....Ein klassischer Teufelskreis also.

In unserer Einrichtung ist es immer eines der Hauptziele, diese TK zu entfernen. Auch die Lebensqualität steigt erheblich. Denke doch mal daran, wie es dir geht, wenn du einen Krümel im "falschen Hals" hast. Das schmerzt und du hustest so lange, bis der Krümel wieder draussen ist. Deine Frau hat einen riesigen Fremdkörper im Hals, denn sie nicht raushusten kann.

Aber um in den Prozeß der Entwöhnung von der TK einsteigen zu können, braucht man einen darin erfahrenen Arzt, erfahrene Logopäden (die den Schluckakt einschätzen können), erfahrene Pflegekräfte und Angehörige, die bereit sind, zusammen mit den beteiligten Fachleuten das Risiko mitzutragen, welches insbesondere am Anfang besteht, wenn man noch nicht definitiv weiß, wie der Patient reagiert. Bedenke jedoch. nur wenn man nie etwas macht, macht man auch nie etwas verkehrt.

Soviel zunächst, liebe Grüsse, dir viel Kraft und deiner Frau gute Besserung,
Ralf
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Sorgen mit Trachealkanüle - von kalessin - 22.02.2009, 15:00
trachealkanüle - von Mimimaus - 22.02.2009, 18:45
[Kein Betreff] - von eva:-) - 23.02.2009, 11:23
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