Absetzen von Medikamenten
#23
Liebe Monika,

ich kenne die Problematik recht genau, was das Wissen um diese Erkrankung betrifft. Es ist nicht nur so, dass Ärzte nur wenig Erfahrung mit dieser krankheit haben, auch Pflegepersonal ist oft unausgebildet und glaubt, Wachkomapatienten in Pflegeheimen unterbringen zu müssen, denn die Pflege und Versorgung gleicht eh der von alten Menschen. Dies ist ein völliger Irrtum, denn Komapatinten brauchen, eine auf sie selbst abgestimmte Pflege, Betreuung und Förderung. Es ist ein absoluter Misstand, dass Wachkomaeinheiten häufig in Pflegeheimen integriert sind, in dem sich meist unzureichend ausgebildetes Personal und meist zu wenig Personal befindet, um eine adäquate Betreuung sicherzustellen. Die wenigsten Pfleger in Heimen wissen, was Wachkomabetreuung bedeutet, und dass nicht zuletzt die Angehörigenbetreuung ein wesentliches Element dieser Pflege darstellen sollte. Im gegenteil, diese werden oft als lästige Aufpasser wahrgenommen und verurteilt, wenn sie den ein oder anderen Vorschlag der Verbesserung der Pflege einbringen möchten. ich kenne das, so Gedanken, wie och die wissen alles besser, was die nur schon wieder zu meinen haben, wollen sie mich kontrollieren, och, gott sei dank is die/der endlich weg und das schlimme ist, was dann, in Abwesenheit der Angehörigen ungesehen im Hintergrund abläuft, satt sauber Pflege, schnellschnell, Nahrung dran, Tropfgeschwindigkeit hoch, sind eh schon so spät dran, naja, lagern, das kann man dann später auch noch, hauptsache erstmal gepflegt...keine Förderung, keine Bewegung, basale Stimmulation, ASE,Kinästhetik, Affolter, Bobath, FOTT-böhmische Dörfer...und der Vorteil is-die beschweren sich wenigstens nicht...traurige Realität-so denken viele Pflegekräfte und vor diesem Hintergrund kann ich ihre abneigende Haltung gegenüber examiniertem Personal sehr gut nachvollziehen und ich finde es beschämend, wie solche Pflegekräfte unseren eh schon schlechten Ruf noch zusätzlich ruinieren. es sollte nicht Sache der Angehörigen sein, Verständnis für strukturell bedingte Lücken, wie Personalmangel und damit verbundenem Zeitmangel sein, was aber gern als Entschuldigung vorgebracht wird. Interessanterweise haben aber die meisten zeit zum rauchen und zum kaffeetrinken (das wär übrigens nach meiner Ansicht das erste, was ich abschafen würde-Raucherräume, und ich rauche selbst)Ich könnte ihnen hunderte Beispiele aufzeigen, die ich selbst erlebt habe, noch während meiner Tätigkeit "draussen, im öffentl. Dienst" in denen ich selbst das Zimmer verlassen musste, weil ich sonst der Kollegin ins Gesicht gesprungen wäre. Der Grund, weshalb ich beispielsweise aus der öffentlichen Pflege ausgestiegen bin war unter anderem der, es nicht mehr ertragen zu können, mit 3 Pflegekräften 220 Bewohnern bedarfsgerecht und bewohnerorientiert die Versorgung sicherzustellen, und mir dann von inkompetenten Leitungen noch erklären lassen zu müssen, wie Pflege zu funktionieren hat und dass ich zu langsam sei, weil ich eine Lagerungstechnik ausprobieren wollte, Nahrung anreichen oder geführte Bewegungen bei der Grundpflege einbrachte, was halt eben alles länger dauert, aber den Bewohner fördert, das is aber wiederum nicht gewollt, er könnte ja von 3 in die 2 runtergestuft werden, das heißt, das Haus verdient weniger Geld-eine Zumutung...

Heute bin ich dankbar und froh, einen Job zu haben, bei dem mir nicht mehr die Zeit im Nacken sitzt oder die Leitung mir Vorschriften macht. Ich kann mir Zeit nehmen, ich wasche meinen Patienten morgens drei oder vier Stunden, mit Pausen, wenn er einschläft, dann schläft er eben ein, dann lasse ich ihn schlafen, er wird mir signalisieren, wann er wieder bereit ist, für den nächsten Schritt, ich lagere nach neuesten Erkenntnissen, verfüge über mehrere Zusatzausbildungen, bilde mich ständig weiter auf diesem Gebiet, weil ich das so möchte, weil wir ihn weiterbringen wollen und meine cheffin - sie unterstützt alles, was ihren Mann betrift, jede neue Idee wird probiert und im übrigen bekommt unser Patient an neuroleptika gerade mal so viel, wie ein "gesunder Mensch" bei Bewußtsein mit einer leichteren Form der Epilepsie. Wir haben unter ärztlicher Aufsicht alles reduziert, was ging und sind heute von ursprünglich 7 Tabletten auf 1 zzgl. was zum Schleimlösen und einem Parkinsonpräparat. Sicher ist es häufig so, dass unnötige Präparate verabreicht wurden, was dieser Fall zeigt, aber alles zu seiner Zeit, langsam stufenweise und kontrolliert.

zum thema kathterisieren nun da bin ich geteilter Meinung, und man sollte es nicht zwangsläufig immer damit in Verbindung bingen, dass es Pflege erleichtert. Was die wenigsten wissen ist, dass Komapatienten aufgrund iher Immobilität und Spastiken dazu neigen können, nicht müssen, dass sich die Blase verformen kann. Das Risiko, das dabei entsteht ist ein ständig steigendes Niveau des Restharns, der zusätzlich einen enormen Keimherd darstellt. Dieser stellt meist die Ursache für Urogenitalinfekte dar, In solchen Fällen sind suprapubische Katheter angezeigt, um das Restharnniveau zu senken, bzw. auzsuschalten. Bei adäquater versorgung der Austrittstelle sollte dies keine zusätzliche Keimbelastung darstellen. Generell bin ich ebenfalls dafür, darauf weitesgehend zu verzichten, aber wenn es medizinisch angezeigt ist, hat es nichts mit Pflegeerleichterung zu tun, sondern dient der Prävention. Eine der häufigsten Todesursachen von Wachkomapatienten stellen neben Pneumonien eben auch Uro-Infekte, damit einhergehender Sepsis oder Urämien dar, kein Wunder, denn das Immunsystem der Patienten ist kaum mit gesunden Menschen vergleichbar. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sicher auch hin und wieder mit Keimen wie Pseudomonas oder Klebsiellen zu tun hatten, die meist schon im kkh manifestiert wurden, neben mrsa, und dass diese teilweise schon so restistent sind, dass eine Therapie kaum mehr möglich ist, die keime also immerwieder aufflammen, bekämpft werden und wiederkommen. Man hat da nicht mehr viele Möglichkeiten, ausser den Urin anzusäuern und gegebenfalls antibiotika zu verabreichen.

Schweissbildung: Dieses Phänomen beobachtet man sehr häufig bei Wachkomapatienten und ist leider bis heute nicht vollständig erforscht. Man geht von cerebral bedingter Ursache aus. Ich persönlich werte dies häufig als Stressituation, Anzeichen von Unwohlsein, allgemeiner Unruhe, auch frieren oder das Empfinden, es ist zu warm. ich kenne das Phänomen, man hat gerade fertig gewaschen, gelagert und urplötzlich schwitzt der Patient aus allen Poren und man muß ihn wieder umkleiden. Es ist eine Begleiterscheinung bei Menschen im Wachkoma, welche Informationen haben Sie zu dazu? Wie haben Sie dies bewältigt?

Nahrung: Ich nehme an, Ihr Mann wird über PEG ernährt, sollte dies der Fall sein ist immer zu unterscheiden, welchen Bedarf der patient hat, dies kann man genau berechnen und die nahrung entsprechend darauf abstimmen. Der bedarf kann aber in bestimmten Situationen variieren, dann zum beispiel, wenn der Patient in der Akutphase ist, dann benötigt er mehr Kalorien, als unter Ruhe und in der Langzeitversorgung, oder bei Dekubtiti, dann setzt man zusätzlich Eiweisprärarate an, um die Heilung zu fördern oder zu unterstützen. Dann gibt es Unterschiede zwischen niedermolekular und hochmolekularer Nahrung, je nach Lage der Sonde, PEG oder PEJ, diabetische Nahrung, kurz gesagt, ja, sie haben völlig recht, dass es dazu Spezialisten bedarf und dass auch dies sehr häufig an den Angehörigen hängen bleibt, sich kundig zu machen. Für sowas gibt es Home-Care Unternehmen von fresenius beispielsweise, die einen darüber beraten sollten, was aber auch oft einer Wunschvorstellung entspricht-kenne ich aus eigner Erfahung, was die Zuverlässigkeit dieser Berater betrifft.

Abschliessend wäre zu sagen, Sie sind leider als Angehörige oftmals in der misslichen Situation, die Dinge ausgleichen zu müssen, die an anderer Stelle meist versäumt wurden, was letztlich häufig mit Frustration einhergeht, verständlicherweise. Aber genau an dieser Stelle gilt es eben anzusetzen,mobil zu machen. Genau darauf sollte sich ihre Position beziehen, beobachten und kritisch bleiben, vertrauen aber kontrolle ist leicht gesagt, aber nur so, im Dialog kann sich was ändern.

viele grüße
cos
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Absetzen von Medikamenten - von Gudrun - 12.10.2005, 07:59
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