Hausarzt verweigert Mobilisierung
#1
Hallo zusammen,

auf der Suche nach Angehörigen mit ähnlichen Erfahrungen bin ich über dieses Forum gestolpert und hoffe, jemand hat einen guten Rat für mein Problem. Sorry, falls das Thema schon diskutiert worden ist, ich hab leider im Moment nicht die Geduld, sämtliche Foren von vorne bis hinten durch zu lesen.

Also, mein Vater, 67, hatte Mitte Mai einen starken Herzinfarkt (Hinterwand). Nach zwar schnell beginnenden, aber länger dauernden Wiederbelebungsmaßnahmen (er hat wohl gerade so überhaupt überlebt) wurde er in ein künstliches Koma versetzt und lag 2,5 Wochen auf der Intensivstation. Es wurde ein schwerer Hirnschaden diagnostiziert.
Anschließend, nachdem der Körper soweit stabilisiert war, kam er in eine Frührehaklinik. Aus dem künstlichen Koma war inzwischen ein Wachkoma geworden. In der Frühreha wurde er von der Beatmung entwöhnt und bekam regelmäßig Krankengymnastik sowie Ergotherapie- und Logopädieanwendungen. Er wurde täglich in den Rollstuhl gesetzt und von meiner Mutter und mir durch den Flur gefahren. Nach 4,5 Wochen, also Mitte Juli, wurde er entlassen, da weiterhin nur sehr geringe Hirnströme im Großhirn messbar waren.
Er liegt nun in einem Pflegeheim, und das leider wörtlich - er liegt nur. Sein Hausarzt verweigert die Verordnung von Mobilisierungsmaßnahmen mit der Begründung, sie würden nichts bringen, dafür habe mein Vater zu wenig, respektive gar keine Hirnaktivität im Großhirn. Dagegen wurden die Therapien, die er in der Frühreha bekommen hatten, im Entlassungsbericht zur Weiterführung empfohlen.
Nun überlege ich, ob ich den Hausarzt (bei dem mein Vater seit über 20 Jahre lang Patient ist) wechseln soll, oder ob ich mich direkt an einen Neurologen wenden soll/kann, falls ich einen finde, der Heimbesuche macht.
Weiß jemand, ob ein Neurologe überhaupt tätig werden darf ohne Überweisung des Hausarztes? Lässt jemand hier im Forum seine(n) Angehörige(n) von einem Neurologen betreuen?
Und hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? In sämtlichen Berichten, über die ich im Forum gestolpert bin, scheinen Mobilitätstherapien völlig selbstverständlich zu sein!?
Mein Vater hat im Übrigen eine Patientenverfügung, allerdings konnte mir keiner der Ärzte bisher sagen, in wieweit das sich mit Therapieanwendungen in die Quere kommt!?

Sorry für den Roman und danke schonmal für hoffentlich ein paar Antworten!

Lieben Gruß,
Daniel
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#2
Hi Daniel,

die Mobilisierung ist ein sehr sehr wichtiger Part für den Erhalt/Steigerung der Gesundheit Durch regelmäßiges sitzen und gerade auch Bewegung an der frischen Luft wird u.a. die Lunge gekräftig, Atmung vertieft, Abhusten verbessert u.v.m. Daher ist dies eine der wichtigsten therapeutischen Maßnahmen überhaupt.

Ich finde es etwas befremdlich, daß das Heim sich da nicht wirklich drum bemüht. Zum einen müßten sie einen hauseigenen Arzt haben, welcher hier für die Rezeptierungen etc. verantwortlich ist. Ferner sollte zumindest konsiliarisch ein Neurologe im Haus sein. Gerade ein Neurologe ist für einen hirngeschädigten Menschen der wichtigste Arzt überhaupt. Diesen sollte man immer aufsuchen. Sollte in dem Heim nichts davon verfügbar sein, würde ich auf jeden Fall ein geeignetes Heim suchen; denn auf lange Sicht scheint die Unterbringung Deines Vaters dort nicht wirklich gut zu sein.

Hausärzte zieren sich häufig Hilfsmittel zu verordnen, da sie oft im Irrglauben sind das belaste ihr Budget. Hilfsmittel sind jedoch immer Budgetbefreit, nur wissen das viele leider nicht.

Mit der Argumentation der Papa liege ja eh nur und bräuchte keine Mobilisierung gefährdet der Arzt - aber auch scheinbar die untätigkeit des Heimes - die Gesundheit Deines Vaters und mindert auch die Chancen auf weitere Genesung/Fortschritte. Ich würde zuerst mit dem Heim reden ob eine Betreuung über den hauseigenen Arzt + Neurologen möglich wäre. Ist dies nicht der Fall würde ich sofort einen geeigneten Arzt, sowei einen Neurologen suchen. Ggf einen Krankentransport zum Neurologen verordnen lassen

Zur Patientenverfügung. Wer hat denn die Betreuung für Deinen Vater ? Dieser könnte näml die Patientenverfügung einsehen. Ohne hier genaueres zu Wissen ist alles - auch meine obige Aussage über Arzt/Heim auf wackeligen Beinen, da es tatsächlich im Zusammenhang mit der Verfügung stehen könnte und dem Arzt/Heim Euch gegenüber keine bessere Ausrede eingefallen sein könnte. Somit - am besten an den Betreuer herantreten und wenn mögl. die Verfügung einsehen oder um entsprechende Auskunft bitten.

Hoffe ich konnte ein wenig Licht ins Chaos bringen.

Liebe Grüße
Bettina
Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)
HP www.sedolin.de
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#3
Hallo Bettina,

vielen Dank für die schnelle Antwort.
Die Patientenverfügung ist leider ein Vordruck mit relativ wagen Aussagen, die wichstigsten Auszüge:

"Dagegen wünsche ich, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn nach bestem Wissen und Gewissen der behandelnden Ärzte medizinisch eindeutug festgestellt ist, dass ich mich unabwendbar und unmittelbar in einem Prozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie (z.B. Wiederbelebung, künstliche Beatmung, künstliche Ernährung etwa über eine Sonde) das natürliche und dann von mir angenommene Sterben ohne Aussicht auf Besserung nur verlängern würde oder das keine realistische Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht.

Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen insbesondere auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn (...) eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist."

In dieser Patientenverfügung wurde ich als Vertrauensperson bestimmt.
Die Funktion des Betreuers habe ich übernommen, bevor die Patientenverfügung aufgetaucht ist (am Tag der Heimeinlieferung, also 2 Monate nach dem Herzinfarkt, hat uns sein Hausarzt darüber in Kenntnis gesetzt, dass mein Vater dort eine Patientenverfügung hinterlegt hat).
D.h. die Magensonde war zu diesem Zeitpunkt längst gelegt.

Bei den Therapien kann man doch durchaus von Linderung von Schmerzen als Zweck sprechen, da er deutlich weniger gehustet hat, als er noch Logopädieanwendungen erhielt, und Krankengymnastik hilft auch gegen Gelenkversteifung und damit verbundene Schmerzen...

Das Heim hat keinen eigenen Arzt im Haus, was allerdings bei keinem Heim im näheren Umkreis der Fall ist. Es gibt natürlich Allgemeinärzte in der Umgebung des Heims, die meisten Bewohner werden allerdings von ihren Hausärzten betreut.

Mit dem Heim sind wir eigentlich ganz zufrieden, die Pfleger/innen haben das Absaugen der Trachialkanüle im Griff (im Gegensatz zu einem anderen Heim, in dem eine Bekannte nach einem Schlaganfall ebenfalls im Wachkoma liegt - die wäre mehrmals fast erstickt!), und wir haben allgemein das Gefühl, das mein Vater gut versorgt wird. Außerdem ist die räumliche Nähe zum Wohnort meiner Mutter wichtig, weil sie keinen Führerschein hat und ich tagsüber berufstätig bin.

Ich werde einige der Ärzte ums Heim herum abklappern, den Ärzten den Kurzbericht aus der Frühreha zeigen und um eine kurze Begutachtung meines Vaters bitten. Vielleicht ist jemand dabei, der eine andere Meinung hat als der Hausarzt.

Liebe Grüße,
Daniel
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