Aufgewacht nach 6 Monaten Wachkoma - Teil 1
#2
Das war der Anfang seines Erwachens im November 2011!!!



Wir waren überglücklich und gaben ihm all unsere Kraft und Unterstützung,

noch mehr als die vielen Monate zuvor.

Zunächst begann er sich selbst ein wenig zu lagern. Er hob

den Po, oder versuchte mal die Beine zu heben. Nach und nach gelang es ihm die

Arme zu heben, sich sogar mal am Kopf zu kratzen. Hin und wieder schaffte er

es, sich auf die Seite zu drehen, oder sich allgemein ein wenig mehr zu

bewegen. Es gab Pfleger, bei denen er sehr entspannt wirkte, bei anderen wieder

wurde er unruhig. Man ging auch darauf bei ihm ein und versuchte es ihm alles

so angenehm wie möglich zu machen. Sein Augenkontakt wurde intensiver, doch wir

hatten noch immer nicht den passenden Kommunikationsweg gefunden. Wir

versuchten es mit Zwinkern, Finger heben, einer kleinen Bettklingel usw. aber

nichts war das scheinbar Richtige. Eines Tages brachte ich ihm eine kleine

Taschenlampe mit die man sehr leicht drücken konnte. Damit begann er auf Fragen

mit Ja (einmal drücken) und Nein (zweimal drücken) zu antworten. Es war zwar

noch immer nicht 100%ig, weil er manchmal aus unersichtlichen Gründen die Lampe

leuchten lies wie es ihm gefiel. Es war aber der Anfang mit ihm zu

Kommunizieren.

Jeden Tag wurde er in den Rollstuhl mobilisiert, fuhr

ausdauernd am Motometer, stand abgesichert und gestützt einige Minuten im

Stehtisch und soweit es möglich war, wurde er in den Alltag integriert.

Seine Fortschritte waren enorm und alle Beteiligten Ärzte,

Pfleger, Therapeuten und wir waren gespannt und motiviert wie er immer weiter

kam.

Langsam kamen seine Kräfte zurück und nach einigen Wochen

schaffte er es seinen Kopf zu heben und zu halten, Arme und Beine zu bewegen

und er beteiligte sich in Anfängen an der tgl. Körperpflege. (Gesicht und Hände

waschen, Zähne putzen)

Er hatte noch einen Neglect linksseitig, aber auch das

überwand er mit unserer aller Hilfe zunehmend.

Sehr hilfreich waren auch Symbolkärtchen auf die ich

zufällig mal im Internet stolperte. Ich druckte sie groß genug aus und

verstärkte sie mit Pappe - WC, essen, trinken, Hände waschen, Radio, Fernsehen.

Da musste er nur auf die Richtige zeigen und man wusste was er sich gerade wünschte.

Einer der wundervollsten Ereignisse war auch, als er zum

ersten mal, auf einen Scherz einer Pflegerin wieder lachte. Für mich war das

einer der schönsten Momente seit Monaten und das gab mir einen regelrechten

Kraftschub.

Das Ess,- Schlucktraining übersprang er fast in einem Satz

und innerhalb von 2-3 Wochen konnte er wieder alles essen und trinken.

Zunehmend begann er auch selbst mit Löffel oder Gabel zu essen. Es dauerte

nicht lang und nichts war mehr vor ihm sicher. Er bewegte sich zwar sehr langsam

und unorientiert, aber selbstständig in der WG mit dem Rollstuhl und griff nach

allem was Essbar war, oder interessant erschien.

Leider verursachte das dann auch wieder mal heftigen

Durchfall und sofort wollte man wieder mit Antibiotika an die Sache gehen.

Inzwischen bekam er seit dem Unfall 5 Monate ununterbrochen irgendwelche

Antibiotika. Zuletzt hauptsächlich wegen der Durchfälle und ich wollte einfach

einen anderen Weg finden. Ich bat um den Versuch einer Darmsanierung mit

konzentrierten Lactobazillen die die Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen

sollten. Nach langen Diskussionen mit der Ärztin, stimmte sie dann unserem

Versuch zu. Zu aller Erstaunen war es dann auch wirklich erfolgreich und er

leidet seither nur noch sehr selten unter solchen Beschwerden. Auch stärkte das

sein allgemeines Immunsystem sehr und er musste bis heute keine Antibiotika

mehr zu sich nehmen.

So schafften wir es auch gemeinsam mit den Ärzten, seine

hohen Medikamentengaben auf ein Minimum zu reduzieren.

Irgendwann konnte dann auch endlich die Magensonde entfernt

werden. Er ernährte sich mit Vollkost und trank auch ausreichend. Das war ein

weiterer Meilenstein auf seinem harten und schweren Weg zurück ins Leben.

Wir beantragten erneut eine stationäre Reha (eine andere

Klinik als die Frühreha) und hatten nach ca. 8 Wochen mit Widerspruch etc. auch

endlich eine Zusage bekommen.

Nach 5 Monaten und (ca. 3 Monaten mit Shunt) in der

Intensivpflege WG, war unser Sohn soweit, das er sich mit einigen Worten

verständigen konnte, sich im Rollstuhl bewegen und die ersten Schritte mit

Hilfe gehen konnte. Er hatte nur noch den Blasenkatheter, aber war inzwischen

komplett Stuhlkontinent.

Er zeigt deutlich was ihm gefällt, oder was ihm auch gar

nicht passt. Er erkannte Gesichter und konnte Namen zuordnen. Erste

Erinnerungen vor dem Unfall kamen auch langsam wieder.



Wir waren bis dahin 9 Monate jeden Tag viele Stunden bei

unserem Sohn, manchmal gemeinsam, manchmal im Wechsel. Haben vom ersten Tag an

mit ihm viel geredet, ihn mit allem was wir dachten und fanden stimuliert, ihn

tgl. bewegt, gestreichelt, massiert, so oft es ging selbst gepflegt und ihn all

unsere Liebe Kraft spüren lassen.



Ende Februar 2012 begann die 2. Reha und seither macht er

deutlich gute Fortschritte. Inzwischen kann man sich wieder ganz gut mit ihm

Unterhalten und momentan erlernt er das Laufen wieder. Er hat noch deutliche

Defizite im Kurz und Mittelzeitgedächtnis, seine Aussprache ist noch etwas

verwaschen und auch seine Motorik und Feinmotorik weißt noch einige Mängel auf.

Der Blasenkatheter ist inzwischen auch schon nicht mehr drin und er ist fast

völlig wieder Kontinent. Sein Sehvermögen ist leider etwas eingeschränkt, da er

eine Sehnervschädigung hat und doch versucht er sich inzwischen manchmal am

Computer oder an seinem Handy. Auch seine Konzentrationsschwelle ist noch sehr

niedrig, aber alles in allem ist er wieder zurück im Leben und noch immer ist

eine starke Dynamik in seiner Entwicklung zu sehen.



Inzwischen holen wir ihn jedes Wochenende Samstag nach Hause

und bringen ihn Sonntagabend wieder zurück in die Reha. Unser aller Leben hat

sich sehr verändert, aber es ist auch sehr viel Dankbarkeit und Bereicherung zu

verzeichnen und wir bereuen keinen Augenblick den wir mit unserem Sohn

verbringen.



Unser Ziel ist es, ihm eines Tages wieder ein intensives und

selbstständiges Leben zu ermöglichen und wir danken allen die uns dabei

unterstützen. Ganz besonderen Dank an alle Ärzte, Therapeuten und das sehr

geduldige Pflegepersonal in der jetzigen Reha-Klinik.



Wir hoffen mit unserer Erfahrung auch anderen Angehörigen

Mut zu machen, nicht aufzugeben, sich gegen Ärzte und Entscheidungen

aufzulehnen und anzustreben das Bestmögliche für den Betroffenen zu erwirken.



Es ist ein schwerer Kampf gegen Ämter, Kassen und verbohrte

oder abgestumpfte Menschen die selbst nie in solch einer Situation steckten,

aber darüber Entscheiden sollen.



Wir haben auch viele Rückschläge erlebt und unsere Kraft war

so manches mal völlig am Ende und doch haben wir die Hoffnung nie aufgegeben

und weiter gekämpft, genau wie unser Sohn tgl. weiterkämpft.



Wir wünschen allen Betroffenen und Angehörigen alles

erdenklich Gute
Antworten


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Aufgewacht nach 6 Monaten Wachkoma - Teil 2 - von Daniela - 11.09.2012, 18:03
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