Absetzen von Medikamenten
#20
Liebe Angehörige,

es tut mir sehr leid, wenn mein Artikel eine derartige Empörung ausgelöst hat, wie ich dies soeben lesen musste.

Lassen Sie mich einiges dazu klarstellen:

Ich bin selbst seit mehr als drei Jahren bei einer Familie beschäftigt, deren Angehöriger im Wachkoma liegt. Meine Arbeitszeit beläuft sich auf ca. 250h im Monat, 12 h pro Tag, z.T.16h und auch wenn ich in Ihren Augen als Professionelle gelte, so habe ich längst vor Jahren schon diese Schiene verlassen, denn das Schicksal dieser Familie wurde, aufgrund der Zeit, die ich dort verbringe, eben somit auch mein eigenes. Sie können mir glauben, dass wir sicher ähnliche Erfahrungen, wie Sie gemacht haben, auch uns machte man zu Beginn seiner Erkrankung wenig Hoffnung auf Genesung und wir waren es ebenfalls, die diese These permanent zu widerlegen versuchten und oftmals das Gefühl hatten, gegen Windmühlen zu kämpfen. Ich habe viele Tränen in dieser Zeit, viele Hoffnungen enttäuscht und wieder aufs neue erwachen sehen, jeder Krankenhauseinweisung genauso ängstlich gegenübergestanden, wie Sie sicher (und nicht weil ich davon lebe)Es ist unser Bestreben, unseren Patienten so weit wie möglich zu förden, alle Ressourcen für ihn nutzbar zu machen und solange wie wir kleinste Veränderungen wahrnehmen so sind es genau diese, die uns jeden Tag weitermachen lassen.
ich finde es in höchstem Maße bedauerlich, dass Sie die wichtigen Passagen meines Textes überlesen zu haben scheinen und stattdessen ihrem Ärger über zuerstgelesenes entsprechend Raum gaben. Denn ich schrieb dass Sie, die Angehörigen es sind, die uns wichtige Hinweise geben,die eben nur Sie als Angehörige wissen können, wie war es der Betroffene gewohnt zu schlafen, welche Musik mochte er, welche Interessen hatte er, welche Düfte, welches Essen,wie war der MENSCH selbst vor seiner Erkrankung. Sie sollten Ihre Rolle als Beobachter nicht unterschätzen oder gar minimieren, das meinte ich damit nicht und wenn dies so verstanden wurde, dann hätte ich mich wohl deutlicher ausdrücken sollen.
was den Umgang mit Medikamenten betrifft, sicher mussten Sie, genauso wie unsere Angehörigen lesen, sich informieren, was ist das überhaupt, man bekommt Worte, wie Trachealkanüle, PEG oder Apallisches Syndrom vor den Latz geworfen, wird völlig mit dieser Rolle des pflegenden Angehörigen überrascht, vor vollendete Tatsachen gestellt - alle Fähigkeiten gelöscht-da is nix und da kommt auch nix mehr. Wie ich schon im ersten Text schrieb, breche ich keine Lanze für die Medizin, im Gegenteil, ich habe selbst die Erfahrung gemacht, wie es ist, vor verschlossenen Türen der ITS zu warten, keiner gibt einem eine Auskunft, man weiss nicht, was los ist. Meine Sorge galt lediglich einem, wie mir schien, eigenmächtigem Absetzen oder Weglassen von Präparaten. Ich würde mir selbst als Professionelle dies nicht zutrauen, da ich die Folgen, mögliche cerebrale Veränderungen, die daraus resultieren, weder verantworten, noch abschätzen kann. Was glauben Sie, warum es so wenige fähige Neurologen gibt?Es existieren kaum Forschungen zur Thematik medikamentöse Therapie bei Wachkoma und damit verbundene cerebrale Veränderungen, sicher man weiss, wie der Zustand Wachkoma neurologisch zustande kommt, hat auch schonmal was von Plastizität des Gehirns gehört, aber wie es zu therapieren ist, darüber ist sich selbst die Medizin bis heute im Unklaren und näher am Versuchen als an tatsächlichen Problemlösungen dran. Wenn Sie also in der Lage sind, diese Entscheidung als Laie übernehmen zu können, Herzlichen Glückwunsch, dann frage ich mich, warum entscheiden Sie dann nicht alles ohne unnötige Ärzte oder besserwisserisches Pflegepersonal. Sollte es nicht besser einen gemeinsamen kommunikativen Weg geben, der allen Beteiligten gerecht wird, denn letztlich geht es doch hier nicht darum, Kompetenzen auszufechten, es geht um das Wohl des Betroffenen, dessen Auffassung aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird. Sie aus der Sicht "beobachtender Angehöriger", ich aus der einer "Profesionellen" und der Arzt aus therapierender Sicht. Und eines sollte unbestritten sein, je mehr Fachwissen man über eine bestimmte Thematik erlangt, desto umsichtiger und gleichzeitig vorsichtiger wird man, das bedeutet, dass wir aus der Medizin vielleicht auch weitere Aspekte in die Waagschale werfen, bevor wir uns entschliessen, Veränderungen vorzunehmen, die Sie als Laie (und da ist keine Degradierung)einfach nicht berücksichtigen. Gestatten Sie mir den Vergleich, dass Sie auch nicht an den Bremsen ihres Wagens heraumschrauben, obwohl sie wissen, dass diese kaputt sein könnten. Sie vergeben sich doch in dieser Situation auch nichts dabei, offen zuzugestehen, dass sie keine Ahnung davon haben, wie man Bremsen repariert, aber trotzdem wissen, wo der Ölstab ist und wie man das Auto betankt oder dass sie vielleicht 150ps unter der Haube haben,aber auch da nicht wirklich wissen, wie das Auto überhaupt richtig funktioniert, nur eben dass es fährt und eben nicht bremst. Sie bringen ihren Wagen also in die Werkstatt ihres Vertrauens und wenn sie schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, dann suchen sie das nächste mal eine andere Werkstatt auf, denn sie werden sich kaum hinstellen und das Auto in zukunft selbst reparieren. Ich denke, ich brauche an dieser Stelle nicht erwähnen, dass ich Menschen im Wachkoma nicht für reparierungsbedürftige Autos halte, die man mal eben von eine Klinik zur nächsten karrt, der Vergleich bezieht sich lediglich auf die eigene Sicherheit, sowie das Aufsuchen und Überlassen von Instanzen, denen man zugesteht, mehr als man selbst zu wissen. Sie als Beobachter (Bremse kaputt),der Werkstattmeister stellt die Diagnose, der Mechaniker repariert. und das, weil Sie ihm die Symptomatik geschildert haben und er wußte, wonach er suchen mußte um somit den Fehler zu beheben. Ich denke, weiter brauche ich das nun nicht ausführen, Sie wissen alle, was damit gemeint ist.
ich freue mich auf weitere Meinungen zum Thema und hoffe, es ist mir gelungen, sie erneut ein wenig zu provozieren (das ist nicht negativ zu bewerten), denn nur so können ernsthafte Diskussionen entstehen.
mit den besten Wünschen
cos
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Absetzen von Medikamenten - von Gudrun - 12.10.2005, 07:59
RE: Absetzen von Medikamenten - von akinom1 - 12.10.2005, 23:32
RE: Absetzen von Medikamenten - von Gudrun - 18.10.2005, 07:48
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