20.01.2004, 01:27
Angehörige agieren - Wachkomapatienten reagieren
Autor : Bettina (Sedolin)
Immer wieder wurde und wird mir die Frage gestellt ob ich verstehen kann was Cedric von mir will. Ja - man kann sehr vieles verstehen. Ein Patient im Wachkoma kann sehr wohl seine Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken, wenn auch extrem eingeschränkt. Bereits in der Reha habe ich angefangen das Verhalten von Cedric zu studieren. Nunja - in 9 Monaten 24 std. in der Klinik leben hat man viel viel Zeit zum beobachten. Ich habe mich auch sehr viel mit anderen Eltern ausgetauscht und dabei haben wir viele Parallelen festgestellt. Auch haben wir gemerkt daß wir bereits auf der Intensivstation hätten Kontakt aufnehmen können. Ebenso hätten wir die Kids bereits intensiv stimmulieren und ihnen den Weg zu uns zeigen können. Schade daß ich das damals noch nicht gewußt habe. Um anderen diese (meiner Meinung nach) extrem wichtigen Informationen zu geben möchte ich nun unsere Beobachtungen aufschreiben.
Wohl gemerkt, es sind die Beobachtungen verschiedener Eltern von Kindern, die überwiegend einen Ertrinkungsunfall hatten. Sicherlich haben auch wir viel übersehen oder vielleicht auch nicht alles richtig interpretiert. Daher wäre ich froh wenn hier möglichst viele Angehörige oder am besten auch die Betroffenen selbst ihre Erfahrungen einschreiben.
Bekommt mein Angehöriger mit das ich da bin? Wie kann ich erkennen ob etwas bei ihm ankommt oder nicht?
Also - hier gibt es zum einen die rein wissenschaftlichen Methoden welche z.B. in der Klinik von Dr. Zieger angewendet werden. Zum anderen gibt es noch das Biofeedback nach Dr. Brucker (hierzu gibts nen Treat unter Therapien). Beide Methoden setzen jedoch voraus daß man zufällig in der richtigen Klinik ist - und das dürfte zu gut 90 % leider nicht der Fall sein.
Also bleiben noch zwei weitere Methoden übrig (die aber grundsätzlich von (fast) jedem Arzt als Humbug, Zufall, Automatismus, etc. hingestellt werden. Interessant ist jedoch das dieser "Zufall" bei fast jedem Kind zu beobachten war.
Zum einen meine ich die Sprache des Körpers (also Atmung, Schweißproduktion, Muskelzittern, Augen) und zum anderen die Beobachtung des Pulsoxymeters (das ist der Monitor also der Kasten der Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz mißt).
Das Pulsoxymeter (Monitor)
Eigentlich ist es ganz einfach Reaktionen via Pulsoxy festzustellen. Ideal ist es wenn man sich am Anfang eine "Kurve" erstellt. D.h. - einfach immer wieder die Werte (Sättigung und Puls) notieren ohne was zu machen - am besten ist es sich bei betreten des Zimmers erstmal den Wert zu merken und dann erst Hallo zu sagen.
Nun hat man die Ausgangswerte. Dann so oft als möglich die Werte beobachten. Wenn man Hallo sagt, wenn man etwas erzählt, wenn andere das Zimmer betreten, wenn man den Patienten stimmuliert, wenn etwas gemacht wird wie z.B. frisch machen oder Blutentnahme, etc. Auf diese Weise kann man erkennen lernen ob etwas positiv oder negativ aufgenommen wird und wie lange die Wirkung anhält. Ebenso ob sich die Wirkung bei Wiederholung der Situation ebenfalls wiederholt.
Muskeltonus und Schweißbildung
Hier gilt im Prinzip das gleiche wie beim Pulsoxy. Erstmal beobachten und Notizen machen. Oftmals ist am Anfang noch kein Tonus zu erkennen oder der Tonus so extrem hoch daß man keine Unterschiede feststellen kann. Die Schweißproduktion setzt jedoch bereits sehr früh ein und läßt sich bereits früh durch Aktionen verändern. Mutig sein und probieren - und nicht unbedingt zu sehr auf ne positive Reaktion vom Doc hoffen, die werten erstmal gerne alles einfach ab. Ist meines Erachtens ne Schutzreaktion von den Docs.
Atmung
Hier kann man bereits sehr früh Unterschiede erkennen und zwar sowohl visuell als auch akustisch. Ein paar Beispiele die wir eigentlich generell beobachtet haben sind :
Freude : Atmung vertieft sich, Brustkorb hebt und senkt sich deutlich (Schweißproduktion leicht spürbar)
Vorfreude : Atmung deutlich und schneller aber nicht so verkrampft wie bei Schmerzen. (leichte Schweißroduktion spürbar und ganz schwach zu sehen)
Anspannung, Angst : Atmung wird flach, kaum Bewegung im Brustkorb, (Schweißproduktion gut spürbar und auch durch glitzern zu sehen)
Trauer, Frust, Enttäuschung : Ähnlich wie Angst aber verkrampft oft leichtes giemen (fiepsendes Geräusch) dabei. (Schweißproduktion leicht und meist kalter Schweiß, nicht immer sichtbar aber meist spürbar)
Schmerzen, leichte Panik : Atmung hektisch, oft auch leichte Schnappatmung. In der Regel kann man dann die Atmung deutlich hören. Führt auch oftmals zum erbrechen. (Schweißproduktion deutlich zu sehen, fühlen nicht mehr nötig)
Starke Schmerzen, Panik : Atmung extrem hektisch, Puls rast, oft rasselnde Atemgeräusche zu hören gemischt mit giemen. Extrem erhöhte Schleimproduktion dadurch kommt es häufig zum erbrechen. (Schweiß fließt oft in Strömen, Körper aber sehr häufig sehr kalt).
Extreme Schmerzen : Atmung wird zur Hyperventilation, Vorsicht Kollapsgefahr !!!! (Schweißbildung - hm man kann es sich schenken ein Kleidungsstück anzulegen. Am bestem mit Handtüchern oder Laken abdecken). Hier sollte man auf jeden Fall den Doc rufen. Ist man zu Hause muß man unbedingt beruhigen mit Notfallmedikamenten (z.B. Diazepham, ggf. erst ein Schmerzmittel versuchen sofern es noch zu verantworten ist).
Ist bereits wieder ein Muskeltonus vorhanden verändert er sich der Atmung entsprechend. Bei einer massiven Spastik ist es oft nicht einfach Veränderungen des Muskeltonus zu sehen. Hier ist es leichter den Tonus zu spüren. Auch leichte Bewegungen der Muskeln können unsere Finger spüren. Egal ob es zu Reflexen, Willkürbewegungen oder sonstwas zählt - es ist in jedem Fall ein Fortschritt; denn im tiefsten Wachkoma funktioniert so gut wie kein Reflex. Jedes Baby lernt aus Willkürbewegungen richtige Bewegungen und Reflexe dienen ebenfall dazu. Also bloß nicht entmutigen lassen und weitermachen.
Sind die Augen bereits regelmäßig geöffnet so kann man auch in Ihnen gut lesen. Oft es es nun möglich über Augen oder Muskeltonus eine Ja/Nein Kommumikation aufzubauen. Auch über Atmung ist das Möglich.
Kann ich bereits auf der Intensivstation etwas sinnvolles machen ?
Oh ja - massenhaft ! Leider hab ich das damals nicht gewußt. Heute weiß ich daß gerade die Intensivstation eine extrem wichtige Phase ist. Wird dort mit dem Patienten so gut wie nix gemacht und bloß "getrauert" so verbaut man sich oft sehr viel für die Zukunft. Die Intensivstation ist fast wie das erste Jahr eines Baby's. Wenn man es in diesem Jahr nur wickelt, füttert und dann sofort wieder ablegt wird es das Kind später sehr schwer haben. So ähnlich geht es den Wachkomapatienten, die außer Physiotherapie (wenn das überhaupt) fast nix an Reizen bekommen.
Welche Reize kann man ansprechen ?
Taktile Reize (fühlen, spüren, riechen, schmecken)
Auditive Reize (hören)
Visuelle Reize (sehen)
Fortsetzung folgt (wenn ich dazu irgendwann mal kommen sollte)
Autor : Bettina (Sedolin)
Immer wieder wurde und wird mir die Frage gestellt ob ich verstehen kann was Cedric von mir will. Ja - man kann sehr vieles verstehen. Ein Patient im Wachkoma kann sehr wohl seine Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken, wenn auch extrem eingeschränkt. Bereits in der Reha habe ich angefangen das Verhalten von Cedric zu studieren. Nunja - in 9 Monaten 24 std. in der Klinik leben hat man viel viel Zeit zum beobachten. Ich habe mich auch sehr viel mit anderen Eltern ausgetauscht und dabei haben wir viele Parallelen festgestellt. Auch haben wir gemerkt daß wir bereits auf der Intensivstation hätten Kontakt aufnehmen können. Ebenso hätten wir die Kids bereits intensiv stimmulieren und ihnen den Weg zu uns zeigen können. Schade daß ich das damals noch nicht gewußt habe. Um anderen diese (meiner Meinung nach) extrem wichtigen Informationen zu geben möchte ich nun unsere Beobachtungen aufschreiben.
Wohl gemerkt, es sind die Beobachtungen verschiedener Eltern von Kindern, die überwiegend einen Ertrinkungsunfall hatten. Sicherlich haben auch wir viel übersehen oder vielleicht auch nicht alles richtig interpretiert. Daher wäre ich froh wenn hier möglichst viele Angehörige oder am besten auch die Betroffenen selbst ihre Erfahrungen einschreiben.
Bekommt mein Angehöriger mit das ich da bin? Wie kann ich erkennen ob etwas bei ihm ankommt oder nicht?
Also - hier gibt es zum einen die rein wissenschaftlichen Methoden welche z.B. in der Klinik von Dr. Zieger angewendet werden. Zum anderen gibt es noch das Biofeedback nach Dr. Brucker (hierzu gibts nen Treat unter Therapien). Beide Methoden setzen jedoch voraus daß man zufällig in der richtigen Klinik ist - und das dürfte zu gut 90 % leider nicht der Fall sein.
Also bleiben noch zwei weitere Methoden übrig (die aber grundsätzlich von (fast) jedem Arzt als Humbug, Zufall, Automatismus, etc. hingestellt werden. Interessant ist jedoch das dieser "Zufall" bei fast jedem Kind zu beobachten war.
Zum einen meine ich die Sprache des Körpers (also Atmung, Schweißproduktion, Muskelzittern, Augen) und zum anderen die Beobachtung des Pulsoxymeters (das ist der Monitor also der Kasten der Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz mißt).
Das Pulsoxymeter (Monitor)
Eigentlich ist es ganz einfach Reaktionen via Pulsoxy festzustellen. Ideal ist es wenn man sich am Anfang eine "Kurve" erstellt. D.h. - einfach immer wieder die Werte (Sättigung und Puls) notieren ohne was zu machen - am besten ist es sich bei betreten des Zimmers erstmal den Wert zu merken und dann erst Hallo zu sagen.
Nun hat man die Ausgangswerte. Dann so oft als möglich die Werte beobachten. Wenn man Hallo sagt, wenn man etwas erzählt, wenn andere das Zimmer betreten, wenn man den Patienten stimmuliert, wenn etwas gemacht wird wie z.B. frisch machen oder Blutentnahme, etc. Auf diese Weise kann man erkennen lernen ob etwas positiv oder negativ aufgenommen wird und wie lange die Wirkung anhält. Ebenso ob sich die Wirkung bei Wiederholung der Situation ebenfalls wiederholt.
Muskeltonus und Schweißbildung
Hier gilt im Prinzip das gleiche wie beim Pulsoxy. Erstmal beobachten und Notizen machen. Oftmals ist am Anfang noch kein Tonus zu erkennen oder der Tonus so extrem hoch daß man keine Unterschiede feststellen kann. Die Schweißproduktion setzt jedoch bereits sehr früh ein und läßt sich bereits früh durch Aktionen verändern. Mutig sein und probieren - und nicht unbedingt zu sehr auf ne positive Reaktion vom Doc hoffen, die werten erstmal gerne alles einfach ab. Ist meines Erachtens ne Schutzreaktion von den Docs.
Atmung
Hier kann man bereits sehr früh Unterschiede erkennen und zwar sowohl visuell als auch akustisch. Ein paar Beispiele die wir eigentlich generell beobachtet haben sind :
Freude : Atmung vertieft sich, Brustkorb hebt und senkt sich deutlich (Schweißproduktion leicht spürbar)
Vorfreude : Atmung deutlich und schneller aber nicht so verkrampft wie bei Schmerzen. (leichte Schweißroduktion spürbar und ganz schwach zu sehen)
Anspannung, Angst : Atmung wird flach, kaum Bewegung im Brustkorb, (Schweißproduktion gut spürbar und auch durch glitzern zu sehen)
Trauer, Frust, Enttäuschung : Ähnlich wie Angst aber verkrampft oft leichtes giemen (fiepsendes Geräusch) dabei. (Schweißproduktion leicht und meist kalter Schweiß, nicht immer sichtbar aber meist spürbar)
Schmerzen, leichte Panik : Atmung hektisch, oft auch leichte Schnappatmung. In der Regel kann man dann die Atmung deutlich hören. Führt auch oftmals zum erbrechen. (Schweißproduktion deutlich zu sehen, fühlen nicht mehr nötig)
Starke Schmerzen, Panik : Atmung extrem hektisch, Puls rast, oft rasselnde Atemgeräusche zu hören gemischt mit giemen. Extrem erhöhte Schleimproduktion dadurch kommt es häufig zum erbrechen. (Schweiß fließt oft in Strömen, Körper aber sehr häufig sehr kalt).
Extreme Schmerzen : Atmung wird zur Hyperventilation, Vorsicht Kollapsgefahr !!!! (Schweißbildung - hm man kann es sich schenken ein Kleidungsstück anzulegen. Am bestem mit Handtüchern oder Laken abdecken). Hier sollte man auf jeden Fall den Doc rufen. Ist man zu Hause muß man unbedingt beruhigen mit Notfallmedikamenten (z.B. Diazepham, ggf. erst ein Schmerzmittel versuchen sofern es noch zu verantworten ist).
Ist bereits wieder ein Muskeltonus vorhanden verändert er sich der Atmung entsprechend. Bei einer massiven Spastik ist es oft nicht einfach Veränderungen des Muskeltonus zu sehen. Hier ist es leichter den Tonus zu spüren. Auch leichte Bewegungen der Muskeln können unsere Finger spüren. Egal ob es zu Reflexen, Willkürbewegungen oder sonstwas zählt - es ist in jedem Fall ein Fortschritt; denn im tiefsten Wachkoma funktioniert so gut wie kein Reflex. Jedes Baby lernt aus Willkürbewegungen richtige Bewegungen und Reflexe dienen ebenfall dazu. Also bloß nicht entmutigen lassen und weitermachen.
Sind die Augen bereits regelmäßig geöffnet so kann man auch in Ihnen gut lesen. Oft es es nun möglich über Augen oder Muskeltonus eine Ja/Nein Kommumikation aufzubauen. Auch über Atmung ist das Möglich.
Kann ich bereits auf der Intensivstation etwas sinnvolles machen ?
Oh ja - massenhaft ! Leider hab ich das damals nicht gewußt. Heute weiß ich daß gerade die Intensivstation eine extrem wichtige Phase ist. Wird dort mit dem Patienten so gut wie nix gemacht und bloß "getrauert" so verbaut man sich oft sehr viel für die Zukunft. Die Intensivstation ist fast wie das erste Jahr eines Baby's. Wenn man es in diesem Jahr nur wickelt, füttert und dann sofort wieder ablegt wird es das Kind später sehr schwer haben. So ähnlich geht es den Wachkomapatienten, die außer Physiotherapie (wenn das überhaupt) fast nix an Reizen bekommen.
Welche Reize kann man ansprechen ?
Taktile Reize (fühlen, spüren, riechen, schmecken)
Auditive Reize (hören)
Visuelle Reize (sehen)
Fortsetzung folgt (wenn ich dazu irgendwann mal kommen sollte)
Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. (Vaclav Havel)
HP www.sedolin.de
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